Anleihen – 07.09.2023
Die wichtigsten Fakten:
Seit den Finanzmarktturbulenzen im ersten Quartal 2023, ausgelöst durch die Schwierigkeiten einiger US-Regionalbanken im Zuge gestiegener Zinsen, haben sich die Zinsdifferenzen von USD-Unternehmensanleihen (Bloomberg US Corporate Bond Index) gegenüber US-Staatsanleihen eingeengt. Aktuell sind sie fast wieder auf ihre Tiefststände vom Februar zurückgekehrt.
Während das Verarbeitende Gewerbe in den USA von der weltweiten Rezessionsstimmung erfasst wurde, hat der Dienstleistungssektor seit dem Ende der Covid-Beschränkungen eine positivere Dynamik entwickelt. Dabei profitierte er vor allem von der starken privaten Nachfrage. Daneben wird die US-Wirtschaft weiterhin durch einen starken Arbeitsmarkt gestützt. Zwar hat die Schaffung neuer Arbeitsplätze in letzter Zeit an Schwung verloren, dafür sind die Löhne deutlich gestiegen. Die daraus resultierende konjunkturelle Widerstandsfähigkeit, mit einem überraschend starken annualisierten Wachstum von 2,4 Prozent im zweiten Quartal, hat die Chancen für eine weiche Landung der US-Wirtschaft im Jahr 2023 erhöht.
Eine Folge dieser Entwicklung sind deutlich niedrigere Volatilitätsindizes für die Kapitalmärkte. So ist der viel beachtete VIX-Index zwischen Frühjahr und August dieses Jahres von 26 auf 15 gefallen. Dementsprechend haben sich die Spreads für US-Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating (IG) vom bisherigen Jahreshoch bei 163 Basispunkten im März auf aktuell 120 Basispunkte eingeengt.
Diese Verengung wurde durch eine grundlegende Verbesserung der Ratings untermauert. Allein in den ersten gut sieben Monaten des Jahres wurden Anleihen im Wert von mehr als 80 Milliarden US-Dollar auf Investment Grade (IG) hochgestuft. Solche als „rising stars“, also aufgehende Sterne, bezeichneten Anleihen hatten damit ein rund fünffach höheres Volumen als die „fallen angels“ (dt.: gefallene Engel), also Anleihen, die ihr Investment-Grade-Rating verloren haben und in den High-Yield-Bereich (HY) gefallen sind. Das einzige volle Kalenderjahr, in dem ein noch höheres Verhältnis beobachtet wurde, war das Jahr 2021.
Auch innerhalb des IG-Bereichs gab es starke Bewegungen: Von April bis Juni 2023 wurden Anleihen im Wert von fast 120 Milliarden US-Dollar von einem BBB- auf ein A-Rating heraufgestuft. Das war die höchste jemals verzeichnete Heraufstufung innerhalb eines Quartals. Es wird erwartet, dass sich dieser Trend fortsetzen könnte, da der Nettowert der Anleihen im BBB-Segment mit positivem Ausblick 80 Milliarden US-Dollar übersteigt.
Vergleicht man die aktuellen sektoralen Renditeaufschläge mit den Niveaus von vor den Marktturbulenzen im März, zeigt sich, dass sich die Aufschläge für Finanzunternehmen noch immer nicht verringert haben. Zwar sendete die Berichtssaison zum zweiten Quartal erste Signale dahingehend, dass die Regionalbanken in der Lage sein könnten, den Abfluss von Einlagen einzudämmen. Gleichzeitig stuften Ratingagenturen die Bonität von einigen US-Regionalbanken aber herunter, was die anhaltenden Risiken in diesem Marktsegment verdeutlicht. Entsprechend liegen die Spreads für US-Regionalbanken um rund 70 Basispunkte höher als vor den Marktverwerfungen. Die anderen Teilsektoren des Finanzsektors, wie Lebensversicherer, große US-Banken und sogenannte Yankee-Banken (ausländische Banken mit einem erheblichen Geschäftsanteil in den USA), werden ebenfalls mit erhöhten Spreads gehandelt, wenn auch nicht in dem Maße wie US-Regionalbanken.
In Anbetracht der insgesamt bereits erfolgten erheblichen Einengung der Spreads bei US-Unternehmensanleihen dürfte ein weiteres Zusammenlaufen eher moderat ausfallen. Das derzeitige Goldilocks-Umfeld wird eingepreist, wodurch der Markt in dieser Hinsicht anfällig für Korrekturen ist. So könnte ein US-Wirtschaftswachstum, das deutlich über den Prognosen liegt, die Marktteilnehmer dazu veranlassen, ihre Leitzinserwartungen nach oben zu korrigieren, was zu Zinsschwankungen am Kapitalmarkt führen würde. Auf der anderen Seite könnte ein deutlich geringeres Wachstum ein Hard-Landing-Szenario für die US-Wirtschaft in den Fokus rücken – ebenfalls verbunden mit starken Reaktionen am Kapitalmarkt. Bei einer aktuellen Rendite von rund 5,6 Prozent für amerikanische IG-Unternehmensanleihen erscheint der Deutschen Bank das Chance-Risiko-Verhältnis dennoch attraktiv. Rückschläge am Markt können daher von entsprechend risikobereiten Anlegern als Einstiegschance betrachtet werden.
Für den Markt der US-Hochzinsanleihen (HY) stellt der jüngste Anstieg der Konkursanmeldungen in den USA ein Risiko dar. Nach Angaben von S&P Global Market Intelligence wurden im ersten Halbjahr 2023 340 Konkursanträge gestellt, so viele wie seit 2010 nicht mehr und rund 93 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2022. Diese Entwicklung ist für das HY-Segment relevanter als für den IG-Bereich. Die Bedenken spiegeln sich unter anderem in der nachlaufenden 12-Monats-Ausfallrate von HY-Anleihen wider, die von den günstigen Werten des vergangenen Jahres auf 2,6 Prozent in diesem Jahr angestiegen ist – eine Quote, die weiter steigen dürfte. Eine Ausweitung der HY-Spreads erscheint daher wahrscheinlich.
Aktuelle Marktkommentare erhalten Sie im täglichen Newsletter „PERSPEKTIVEN am Morgen“.
Redaktionsschluss: 05. September 2023, 15.00