Aktien – 10.05.23
Die Bilanz des 1. Quartals 2023 kann sich sehen lassen: Trotz der Turbulenzen im März verzeichneten insbesondere die breiter gefassten Aktienmärkte in den Industrieländern Kursgewinne. Aus sektoraler Sicht zeigten IT-Aktien die stärkste Performance. Wachstumstitel profitierten vom sinkenden Zinsniveau und der Hoffnung auf ein vorzeitiges Ende des Zinserhöhungszyklus – allen voran bei der US-Notenbank Federal Reserve. Nach Einschätzung der Deutschen Bank bieten die Aktienmärkte in vielen Regionen auf Sicht von zwölf Monaten aber nur ein geringes Potenzial. Attraktive Renditen von festverzinslichen Anlagen dürften Bewertungsausweitungen insbesondere bei US-Aktien begrenzen. Außerdem könnte die geldpolitische Straffung in den Industriestaaten in den nächsten Monaten ihre volle Wirkung entfalten.
Eine Standortbestimmung liefert die beginnende Berichtssaison für das 1. Quartal 2023. Aufgrund des schwächeren Absatzes und höherer Produktionskosten hat die Analystengemeinde die Erwartungen an das Gewinnwachstum in den USA und Europa kontinuierlich nach unten korrigiert. Die Erosion der aggregierten Nettomargen gegenüber den Rekordwerten des letzten Jahres dürfte sich fortsetzen. Für den marktbreiten US-Leitindex S&P 500 werden derzeit ein mageres Umsatzplus von 1,8 Prozent und ein Gewinnrückgang um 6,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr prognostiziert. Es wäre das zweite Quartal in Folge mit negativem Gewinnwachstum und gleichzeitig der stärkste Gewinnrückgang seit dem 2. Quartal 2020. Die stärkste Performance wird zyklischen Konsumgütern und Industriewerten zugetraut. Grundstoffe und Gesundheitswesen repräsentieren den unteren Rand der Erwartungen. Für das Gesamtjahr belaufen sich die Gewinnschätzungen im S&P 500 nun auf -0,6 Prozent.
Etwas besser könnte es in Europa für den STOXX Europe 600 laufen: bei leicht steigenden Umsätzen (+1,7 Prozent) ein marginaler Rückgang der Gewinne gegenüber dem Vorjahr (-2,5 Prozent). Die Sektoren Finanzwerte und IT könnten das stärkste Gewinnwachstum verzeichnen, Grundstoffe und zyklische Konsumgüter das schwächste. Über alle vier Quartale trauen die Analysten den europäischen Unternehmen ein aggregiertes EPS-Plus von 1,0 Prozent zu.
Nachdem 2022 Substanzwerte (Value) sowohl in den USA als auch in Europa deutlich besser abgeschnitten haben als Wachstumstitel (Growth), hat sich das Blatt inzwischen gewendet. Insbesondere der Rückgang der Anleiherenditen spielt Wachstumstiteln in die Karten. Dagegen schneiden Substanzwerte in Zeiten steigender Renditen wie 2022 in der Regel besser ab. So weisen in Europa Value-Sektoren wie Banken, Versicherungen, Energie und Automobile die höchste positive Korrelation mit den Renditen der 10-jährigen US-Staatsanleihen auf. Eine weitere Stabilisierung des Finanzmarktes könnte zwar zu einem erneuten Renditeanstieg führen und Value-Aktien etwas unterstützen – aber kaum in einem vergleichbaren Ausmaß wie 2022.
Auf der anderen Seite sind Substanzaktien vergleichsweise interessant bewertet und werden weiterhin mit einem Abschlag zu Growth gehandelt. Angesichts des unklaren Makroszenarios könnte sich für Anleger die sogenannte Hantelstrategie (Barbell Strategy) anbieten: Value auf der einen, Growth auf der anderen Seite der Hantel. Interessant dürften weiterhin europäische Banken (Value) sein, deren Risikoabschläge gegenüber dem breiten Markt übertrieben erscheinen. Für Kommunikationsdienstleister (Growth) spricht, dass der Sektor Wachstumsmerkmale mit defensiven Qualitäten (z. B. Dividenden) verbindet. Das gilt auch für Bereiche des Gesundheitswesens und der Technologiebranche.
Aktuelle Marktkommentare erhalten Sie im täglichen Newsletter „PERSPEKTIVEN am Morgen“.
Redaktionsschluss: 04.05.2023, 18.00 Uhr